Juso-Arbeit in der Schweiz?! Ein Interview mit Noé Pollheimer

Veröffentlicht von KONTRA Redaktion am

Ein Interview von Marius Kipfmüller (KV Lörrach)

Noé Pollheimer ist Mitglied des Einwohnerrats der Gemeinde Riehen. Riehen ist neben der Stadt Basel und Bettingen eine von drei Gemeinden innerhalb des Kantons Basel-Stadt in der Schweiz. Mit über 20.000 Einwohnern ist es die zweitgrößte Gemeinde der Nordwestschweiz. Die Gemeinde wird gemeinhin zu den steuergünstigen Vororten Basels gezählt. Noé ist 23 Jahre alt, aktiv bei den JUSO Basel-Stadt und Co-Präsident der SP Riehen. Die SP (Sozialdemokratische Partei) der Schweiz und die JUSO sind ihre Jugendorganisation. Die JUSO in der Schweiz sind deutlich unabhängiger von der Mutterpartei als wir in Deutschland.

KONTRA: Seit 2017 engagiert du dich politisch bei den JUSO und der SP. Was hat dich damals so bewegt?

Noé Pollheimer: Interesse, Zeit. Durch meine politischen Eltern, dann wurde ich von Martin Leschhorn – damaligen Präsident der SP Riehen –  gefragt, ob ich für den Einwohnerrat kandidieren möchte.

KONTRA: Noé, 2021 bist du in den Einwohnerrat der Gemeinde Riehen nachgerückt. 2022 wurdest du erneut in den Einwohnerrat gewählt. Wie kam es eigentlich dazu?

Noé Pollheimer: 2019 habe ich kandidiert für den Einwohnerrat, im ersten Anlauf hat es leider nicht gereicht. 2021 konnte ich nachrücken, da eine Einwohnerrätin zurückgetreten ist. 2022 wurde ich mit einem ganz anständigen Resultat gewählt.

KONTRA: Seit Mai 2022 bist du Vizepräsident der Spezialkommission Finanzkommission. Was machst du da?

Noé Pollheimer: Die Finanzkommission ist wie ein Finanzausschuss. Diese Kommission ist neu, deshalb müssen wir erstmal klären, welche Dokumente wir beschließen müssen und Wege zur Kontrolle der Verwaltung finden.

KONTRA: Was ist dein bisheriges Highlight aus dem Einwohnerrat?

Noé Pollheimer: Mein erster Vorstoß, den ich im Einwohnerrat eingereicht habe, es ging um die Senkung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre. Ich hatte erwartet, dass dieser Vorstoß in der ersten Vorlesung nicht durchkommt, aber es hat doch mit einer knappen Mehrheit gereicht. Zugegebenermaßen gab es eine kleine Lobbyarbeit. Vermutlich in 2 Jahren können dann 16-Jährige auf kommunaler Ebene abstimmen (Wahlen für den Einwohnerrat, etc.).

KONTRA: Riehen liegt an zwei deutschen Gemeinden (Lörrach und Grenzach-Wyhlen), wie wichtig ist für dich, die Politik auf deutscher Seite?

Noé Pollheimer: Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Deutschland ist mir wichtig. Unsere Region ist ein Lebensraum, der nur mit der Schweiz und Deutschland funktioniert. Es ist auch wichtig auf neue Gesetze zu achten, damit dieses Zusammenleben weiterhin so bestehen bleibt. Zum Beispiel wurde ein neues Zollgesetz bundesweit beschlossen, welches besagt hat, dass Lebensmittellieferungen aus Deutschland nicht mehr unbürokratisch möglich waren. Da müssten wir als Kanton und Gemeinde immer wieder den Bund an die Realität in der Grenzregion erinnern.

KONTRA: In der Schweiz finden 4-mal im Jahr Volksabstimmungen satt, immer wieder sind die JUSO bei den Wahlkämpfen dabei. Was ist dabei eure Strategie? Wie motiviert ihr eure Mitglieder?

Noé Pollheimer: Grundsätzlich sind wir als Juso eine der größten Jugendparteien der Schweiz. Vieles geht bei uns über den Aktivismus. Bei uns kommt es immer zu unterschiedlichen Themen, hauptsächlich durch die Interessen und das Fachwissen von unseren vielen Mitgliedern. Für alle ist klar, dass wir für eine Veränderung der Welt, den Klimaschutz und die Umverteilung kämpfen.

KONTRA: Die schweizerische Bundesregierung wird nicht durch eine Koalition bestimmt, sondern über die sogenannte Zauberformel. Dabei ist die parteipolitische Zusammensetzung des siebenköpfigen Schweizerischen Bundesrates mit dem Verteilschlüssel 2:2:2:1. Die drei Parteien mit der größten Parteistärke erhielten zwei, die mit der viertgrößten einen Sitz. Die SP hat 2 Sitze in dem Bundesrat. Wie findest du diese Zauberformel? Kommen dabei vernünftige Beschlüsse zusammen?

Noé Pollheimer: Die Zauberformel ist das Aushängeschild der Schweizer Demokratie, aber zeitlich der größte Bremsklotz, prinzipiell ist es gut wenn die Mehrheiten der Parteien an der Regierung vertreten sind. Kürzlich haben die Juso Schweiz gefordert, dass die SP aus der Regierung raus sollte, immer wieder ist das eine Forderung der Juso. Allerdings wäre eine SP in der Opposition fatal für die Schweiz, denn ohne die SP würden viele Themen auf der Strecke bleiben. Natürlich sind die Lösungen und Ergebnisse im Bundesrat nicht ausreichend aus unserer sozialdemokratischen Sicht.

KONTRA: Aktuell wird ein Sitz von der SP im Bundesrat, der von Simonetta Sommaruga frei. Welche Nachfolgerin unterstützt du?

Noé Pollheimer: Eva Herzog natürlich. Ich kenne sie persönlich sehr gut. Sie ist eine hervorragende Regierungs- und Ständerätin. Sie kann Menschen an einen Tisch bringen und gemeinsam gute Lösungen für alle finden.

KONTRA: Was möchtest du in der Schweiz verändern?

Noé Pollheimer: Die Ungleichheit, es gibt so viel in diesem Bereich, besonders die Vermögensungleichheit und die soziale Ungleichheit. Gerade in der Schweiz ist es ein riesiges Thema, die Schweiz verwaltet so viel Geld, das anders genutzt werden sollte. Dadurch könnten wichtige Veränderung in der Klimapolitik und der globalen Wirtschaftspolitik erfolgen.

KONTRA: Glaubst du Deutschland müsste etwas von der Schweiz lernen?

Noé Pollheimer: Direkte Demokratie ist ein tolles Element der Schweiz, fraglich ob es in einer größeren Ordnung umsetzbar ist. Demokratie kann immer langsam sein. Dies ist in Deutschland durch die neue Regierung schon besser geworden, teilweise ist die Schweiz aber auch nicht schnell genug, zum Beispiel bei der Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz.

Nach dem Interview ging es sofort in die Einwohnerratssitzung. Diese Sitzung wird sehr digital gehalten, Abstimmung sind digital, die Einwohnerräte haben mithilfe einer Karte Zugang zu dem Gemeindehaus (Ort der Sitzung), große Bildschirme bei den Plätzen der Zuschauer:innen und Ratsmitgliedern. Leider ist es verboten in diesem Raum zu fotografieren. Noé begab sich zu seiner Fraktion und sitzt auch in den ersten Plätzen der SP-Fraktion.

In der Sitzung sprach Noé die Wichtigkeit des Lärmschutzes an, damit auch die Gesundheit der Bürger:innen der Gemeinde weiterhin geschützt wird. Die Gemeindeverwaltung sollte sich darum auch in der Zukunft bemühen.

Anfangs vom Gespräch erzählte er mir, dass die SP Schweiz die SP Riehen bereits gezielt kontaktiert hatte, da das Altersverhältnis des Ortsvereins sehr hoch ist. Deshalb gab die SP Tipps und finanzielle Mittel, damit eine Neumitgliederkampagne vor Ort durchgeführt werden kann.