Hurra, Hurra das Bürger*innengeld ist da!

Veröffentlicht von KONTRA Redaktion am

Ein Beitrag unserer Redakteurin Klara Scheffler (KV Mannheim)

Hartz IV ist Geschichte: Damit begraben wir endlich weitreichende Fehler des Hartz-IV-Systems, die absolute Existenzangst und setzen eine große Sozialstaatsreform um, die seit Jahren bitter nötig war. Das Bürger*innengeld als menschenwürdige Grundsicherung soll bürger*innennäher, unbürokratischer und zielgerichteter sein. Was aber auch ganz klar ist: Hier darf nicht nur die Verpackung geändert werden und der Inhalt bleibt derselbe, so wie es zum Beispiel Facebook mit seiner Umbenennung in Meta getan hat. Das Bürger*innengeld muss einen Systemwechsel bedeuten, der mehr soziale Sicherheit in Deutschland garantiert.

Das ändert sich ab Januar

Das Bürger*innengeld schafft durch Qualifikation und Weiterbildung neue Wege aus der Arbeitslosigkeit. Als Hartz IV vor 20 Jahren eingeführt wurde, herrschte massive Arbeitslosigkeit in Deutschland. Heute stehen wir vor der Herausforderung, dass viele Menschen keine abgeschlossene Berufsausbildung haben und in einigen Branchen ein hoher Arbeits- und Fachkräftemangel herrscht. Damit ist das Bürger*innengeld ein seiner Zeit angepasstes Produkt. So wird auch die Berechnung der Regelbedarfe auf eine neue Grundlage gestellt und soll sich aktuellen Preisentwicklung anpassen.

Damit sich Erwerbslose auf die ohnehin schon belastende Arbeitssuche konzentrieren können, haben sie im ersten Jahr, in dem sie Bürgergeld beziehen, eine sogenannte Karenzzeit. In dieser Zeit darf man künftig sein Erspartes von bis zu 40.000 Euro liegen lassen. Außerdem können Leute, die zwischen 520 und 1.000 Euro verdienen, mehr von ihrem Einkommen behalten. Der Wegfall des Vermittlungsvorgangs könnte einer der größten Fortschritte zum Vorgänger sein. Mi diesem Vorgang in Jobs zu vermitteln war oft nicht nachhaltig und hat bei vielen Menschen einen Berg an Frustrationserlebnissen angehäuft. Stattdessen werden nun Menschen, die zum Beispiel keinen Schulabschluss oder keine Ausbildung haben, auf dem Weg zu einer beruflichen Weiterbildung unterstützt und betreut.

Auch Schüler:innen, Azubis und Studierende profitieren vom Bürger*innengeld. Sie können monatlich 520 Euro dazu verdienen, ohne dass das Bürger*innengeld ihnen oder ihren Eltern gekürzt wird. Wer unter 1.000 Euro verdient, kann künftig 30 Prozent statt 20 Prozent davon behalten und Ferienjobs sowie ehrenamtliche Tätigkeiten sind bis zu 3.000 Euro anrechnungsfrei.

Ein wahr gewordener sozialdemokratischer Traum – oder nicht?
Die Euphorie über das Bürger*innengeld hielt so lange an, bis die Union uns einen Strich durch die Rechnung gemacht und das Bürger*innengeld im Bundesrat blockiert hat. Also ging es in den Vermittlungsausschuss. Besonders die schärferen Sanktionsmöglichkeiten tun weh, denn das entspricht nicht unserer Vorstellung davon, wie ein Sozialstaat Menschen respektvoll dabei unterstützt, aus den Sozialleistungen wieder herauszukommen. Und das sollte immer das ultimative Ziel sein.

Sanktionen erfolgen künftig sofort und nach einem dreistufigen System, laut dem bis zu 30 Prozent der Leistungen gekürzt werden können. Immerhin: Wenn die Leistungsminderung jemanden an das Existenzminimum bringt, wird sie laut der Bundesregierung nicht durchgeführt. Trotzdem ist das an Einzelfallentscheidungen gebunden und kann Menschen in Not „übersehen“.

Die zunächst beschlossene “Vertrauenszeit” von sechs Monaten, in denen es keine Sanktionen geben sollte, wurde mit dem Unions-Kompromiss komplett gestrichen. Diese Vertrauenszeit hätte es gegeben, nachdem der Kooperationsplan gemeinsam erarbeitet wurde und nur mehrmalige Terminversäumnisse hätten in dieser Zeit sanktioniert werden können. Beim Bürger*innengeld geht es darum Vertrauen als Grundlage für eine gute Zusammenarbeit aufzubauen.

Das Schonvermögen hat es ebenfalls erwischt: Statt 60.000 Euro darf man nur 40.000 Euro seines ersparten Geldes beibehalten und muss es nach einem Jahr aufbrauchen. Die Ampel hatte die Karenzzeit auf zwei Jahre angesetzt.

Besser geht immer
Sprit, Lebensmittel und sogar den Döner hat es erwischt: Die Inflation spüren wir alle. Vor allem aber spüren sie Menschen, die in Not sind und auf Angebote, wie die der Tafel angewiesen sind. Dort werden die Schlangen länger, denn immer mehr Menschen können sich bei einer Preissteigerung von aktuell fast 40 Prozent kaum noch Lebensmittel im Supermarkt leisten.

Umso wichtiger ist eine gerechte und moderne Grundsicherung, die sich an die aktuelle Preislage anpasst. Der im Vermittlungsausschuss beschlossene Kompromiss kommt der Union weit entgegen – zu weit dafür, dass ihre Kritik an das unterschwellige Argument gekoppelt ist, dass Arbeitslosigkeit Armut bedeuten muss. Zu weit dafür, dass Markus Söder sich bei einem Besuch bei der Tafel für PR ablichten lässt, während seine Partei im Bundesrat gegen eine Erhöhung von 53 Euro des Regelsatzes stimmt. In der Diskussion geht es immer darum, dass es mit einer Grundsicherung nicht genügend Anreize gäbe, um arbeiten zu gehen. Dafür werden sogar absichtlich falsche Rechenbeispiele ausgepackt.

Wir Jusos haben Jahrzehnten gegen Hartz IV gekämpft und auch wenn das Bürger*innengeld nicht perfekt ist, bietet es nicht nur Schutz, sondern vor allem Chancen. Der Kompromiss mit der Union hat uns um die deutliche Erhöhung der Regelsätze, die Verlängerung der Frist für das Schonvermögen und eine Einschränkung der Sanktionen gebracht. Und das alles nur für taktische Parteimachtspiele und gegen die Bürger*innen in Deutschland. Das lässt tief über das Menschenbild der Christdemokraten blicken, denn weder das C für christlich noch das S für sozial bei der CSU sind hier zu finden.

Wir können auf dem Arbeitsmarkt auf niemanden verzichten. Darum müssen wir weiter für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse kämpfen, sachgrundlose Befristungen abschaffen und Ausbildungen attraktiver gestalten – denn auch von seinem Ausbildungsgehalt muss man leben können. Das Bürger*innengeld ist ein wichtiger Schritt – eigentlich eine Grundlage, auf der wir uns nicht ausruhen dürfen und die wir in den nächsten Jahren weiter ausbauen müssen.