Sparpolitik ist nicht Generationengerecht — Im Gegenteil

Veröffentlicht von KONTRA Redaktion am

Ein Kommentar von Lars Augustin (KV Lörrach).

“Auf Schuldenbergen können Kinder nicht spielen” — so begründen Konservative und Liberale oft Sparmaßnahmen in ihren Haushalten. Laut ihnen sei es nicht gerecht gegenüber den kommenden Generationen, jetzt Schulden zu machen, da dies ihren finanziellen Spielraum einschränken würde. Jedoch sind es nicht die Schulden, die unsere sowie die nächsten Generationen einschränken, sondern die Folgen von Sparpolitik.

Kein*e vernünftige*r Unternehmer*in würde abstreiten, dass Investitionen notwendig sind, damit ein Unternehmen konkurrenzfähig bleibt. Wenn man selbst nicht investiert, dann wird man von der Konkurrenz abgehängt. Da sich Investitionen nach einer gewissen Zeit wieder auszahlen, kann man hierfür auch Kredite aufnehmen. Natürlich gibt es ein gewisses Risiko, aber wenn man erfolgreich sein will, muss man dieses in Kauf nehmen. Auch Staaten stehen heute im globalen Wettbewerb um Unternehmen und Fachkräfte.

Grafik von Lars Augustin

In den letzten Tagen wurde viel über die Kindergrundsicherung diskutiert. Über 20% der Kinder in Deutschland leben in Armut. Für mich ist es eine moralische Katastrophe, dass in einem reichen Land wie Deutschland so viele junge Menschen in Armut aufwachsen. Aber auch aus einer rein wirtschaftlichen Perspektive ist es unsinnig so viele Kinder in Armut aufwachsen zu lassen. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben oft keinen Zugang zu einem eigenen Computer oder Rückzugsräume. Dies ist ein enormer Nachteil für ihre Bildung, und führt dazu, dass sozialer Aufstieg nur selten möglich ist. Gerade Liberale reden oft von Chancengerechtigkeit, aber wenn es darum geht, echte Chancengerechtigkeit zu schaffen, haben sie andere Prioritäten. Die traurige Wahrheit ist, dass Bildung in Deutschland heute immer noch stark vom Gehalt der Eltern abhängt. Weniger wohlhabende Familien können sich keine Nachhilfestunden für ihre Kinder leisten, die seit der Einführung von G8 von mehr Schüler*innen genutzt werden. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Berufswahl und das Einkommen im späteren Leben. In einem Land mit Fachkräftemangel sollte es unser Ziel sein, so vielen Menschen wie möglich Zugang zu gerechter Bildung zu geben. Die Kindergrundsicherung löst hier nicht alle Probleme, ist aber ein großer Schritt in die richtige Richtung und somit nichts weniger als eine Investition in die nächsten Generationen.

Sparmaßnahmen in der Bildung betreffen jedoch nicht nur Schüler*innen aus ärmeren Familien: Heute kommen Berufseinsteiger*innen auf einen globalen Arbeitsmarkt, in dem man nicht mehr nur im Wettbewerb zu anderen Arbeitnehmer*innen aus dem eigenen Land steht, sondern oft zu denen aus der ganzen Welt. Dies wird durch die Digitalisierung und den Wandel weg von produzierender Industrie, hin zu einer immer stärkeren Dienstleistungs-Wirtschaft, weiter vorangetrieben werden. Damit die nächsten Generationen an Arbeiter*innen auf dem Arbeitsmarkt eine gute Chance haben, brauchen wir angemessene Bildung für unsere heutige Welt. Jeder der in den letzten Jahren einen Abschluss auf einer Sekundarschule gemacht hat, weiß dass diese in Deutschland fehlt. Digitalisierung ist in vielen Schulen mehr Zukunftsvision als Realität. Veraltete Prüfungsformen lassen zu viele Schüler*innen zurück. Mehrmals die Woche fällt Unterricht aus. Dies ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von jahrzehntelangem Sparen im Bildungsbereich, den die nächsten Generationen teuer bezahlen werden.

Auch bei unserer Infrastruktur werden die nächsten Generationen die Kosten für die Sparpolitik der letzten Jahrzehnte bezahlen. Politisch ist es immer geschickt, bei Infrastruktur zu sparen, da die Konsequenzen oft erst nach langer Zeit sichtbar werden. Nach einem Bau muss eine Brücke nicht unbedingt gewartet werden, um weiterhin zu funktionieren. Wenn man jedoch bei Routine-Reparaturen spart, muss die Brücke früher abgerissen und neu gebaut werden. Das ist jedoch teurer als eine kontinuierliche Instandhaltung. Somit sehen zwar heute die Staatshaushalte schön aus, aber in der Zukunft gibt es eine große Rechnung, die trotzdem bezahlt werden muss. Schlechte Infrastruktur macht uns außerdem als Wirtschaftsstandort unattraktiver. Es lohnt sich deshalb, in Infrastruktur zu investieren, damit die nächste Generation immer noch in einem wirtschaftlich starken Land leben kann und nicht das Vielfache zahlen muss, was wir heute für Instandhaltung zahlen müssen.

Am dramatischsten sind jedoch die Folgen von fehlenden Investitionen für unser Klima. Uns ist allen bewusst, dass, wenn wir jetzt nicht in Klimaschutz investieren, dies enorme Konsequenzen haben wird. Oft kommt  jedoch das Argument, dass für große Veränderungen, wie im Energiesektor, schlicht das Geld fehle. Dieses Argument ist aber nur auf extrem kurze Sicht korrekt, da die Konsequenzen schlechter Umweltpolitik langfristig ein Vielfaches kostet. Diese hohe Rechnung werden alle zukünftigen Generationen bezahlen. Immer wieder sehen wir den enormen Schaden — menschlichen sowie wirtschaftlichen — der durch extreme Wettersituationen angerichtet wird. Trotz des Wissens, dass solche Ereignisse mit unserem mangelhaften Klimaschutz immer häufiger auftreten werden, sparen wir viel zu oft beim Klimaschutz. Die Konsequenzen hierfür werden nicht billig!

Für die fehlenden Investitionen heute, werden die nächsten Generationen ein vielfaches Zahlen. Ob direkt, wie bei den Folgen von schlechtem Klimaschutz, oder indirekt wie bei der Bildung oder Infrastruktur durch geringere wirtschaftliche Leistung. Unbegrenzte Staatsschulden sind natürlich auch keine Lösung, trotzdem brauchen wir ein Umdenken beim Thema staatliche Investitionen: Wenn wir nicht bereit sind die Reichsten zur Kasse zu bitten, dann müssen wir uns entscheiden zwischen Schulden oder Investitionsstau. Sparmaßnahmen sind nicht alternativlos, sondern ein großer Fehler.