Warum wir die Kapitalmarktunion und mehr gemeinsame Fiskalpolitik brauchen

Veröffentlicht von KONTRA Redaktion am

Vor 25 Jahren wurde die Europäische Zentralbank (EZB) gegründet. Seitdem wird die Geldpolitik in der Eurozone, der mittlerweile 20 EU-Mitglieder angehören, vom Eurosystem (EZB + 20 nationale Zentralbanken) im EZB-Rat gemeinschaftlich europäisch gemacht.

Ein Artikel von Sebastian Camarero (KV Mannheim).

Währungsunion hat sich bewährt

Der Euro ist zur zweitwichtigsten Währung nach dem Dollar geworden. Die europäische Währungsunion hat die internationale Bankenkrise 2008/2009, die europäische Staatsschuldenkrise 2010-2013, sowie die Covid-bedingte Wirtschaftskrise 2020 durch geld- und fiskalpolitische Maßnahmen gemeistert. Bis 2021 wurde auch das Inflationsziel von 2% stets erreicht. Das Eurosystem arbeitet derzeit intensiv daran, dass sich die Inflation (die 2022 ihren Hochpunkt erreichte) weiter abschwächt und in den nächsten Monaten wieder das Preisstabilitätsziel erreicht wird.

Die Geldpolitik ist damit eines der Felder, in denen im Eurosystem Entscheidungen europäisch getroffen und gemeinschaftlich von den nationalen Zentralbanken umgesetzt werden. Das Eurosystem hat sich in den verschiedenen Krisen als handlungsfähig und pragmatisch erwiesen.

Nächster Schritt: Kapitalmarktunion

Entsprechend wurden in Folge der Bankenkrise auch eine europäische Bankenaufsicht für die systemrelevanten Banken Europas geschaffen. Der Währungsunion gegenüber steht allerdings keine einheitliche Fiskalpolitik, da es noch keine vollständige politische Union gibt. Stattdessen sollen gemeinsame Fiskalregeln (etwa im Stabilitäts- und Wachstumspakt verankert) helfen, dass die Fiskalpolitik in der Währungsunion koordiniert wird.

Als nächster Schritt wäre es sicherlich wichtig, wenn in den nächsten Monaten Fortschritte bis hin zur Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion(1) gemacht würden. Die Idee der Kapitalmarktunion besteht darin, in Europa einen möglichst wettbewerbsfähigen und nach möglichst einheitlichen Regeln funktionierenden gemeinsamen Kapitalmarkt zu schaffen. Durch einheitlichere Regeln bei Börsenzugängen, Insolvenzen, Kapitalmarktvorschriften könnte es gelingen, dass sukzessive ein größerer gemeinsamer Kapitalmarkt entsteht, der Startups, aber auch etablierten Unternehmen zur Finanzierung von Investitionen und Wachstum mehr Kapital in Europa zur Verfügung stellt, als dies bislang der Fall ist. Damit könnte Europa auch im Wettbewerb mit den USA aufholen und mehr Anreize schaffen, damit hier vor Ort die Unternehmen der Zukunft entstehen. Eine Kapitalmarktunion könnte auch die Finanzmarktstabilität in Europa stärken und auch die Transmission der europäischen Geldpolitik verbessern.

Perspektive: gemeinsame Fiskalpolitik für europäische Aufgaben

Darüber hinaus stellt sich in der mittleren Frist allerdings auch die Frage, ob sich die Euro-Staaten (wenn nicht gar die EU) dazu entschließen kann, für gemeinsame europäische Aufgaben eine gemeinsame Fiskalpolitik zu betreiben. Dies würde die Währungsunion letztlich vervollständigen und wäre ein Meilenstein auf einem Weg in eine politische Union („Vereinigte Staaten von Europa“).

Die temporären gemeinsamen Fiskalmaßnahmen im Zuge von Next Generation EU (NGEU) könnten hier als Blaupause dienen. Wichtig wäre es zunächst einmal gemeinsame Aufgaben zu definieren, die effizienter und effektiver europäisch organisiert werden können (bspw. im Bereich Verteidigung oder Klimaschutz). Wenn mehrheitlich die Bereitschaft bestünde, in diesen Bereichen zukünftig europäisch zu handeln, wäre es denkbar, langfristig durch gemeinsame Einnahmen und Anleihen diese Aufgaben finanziell in größerem Maße gemeinsam zu stemmen, als dies bislang national der Fall ist. So könnte europäische Politik in diesen Politikfeldern schneller, bessere Ergebnisse produzieren. Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Fiskalpolitik sind noch viele Schritte zu gehen und letztlich geht es auch um die Bereitschaft nationale Kompetenzen zugunsten Europas abzugeben, und entsprechende institutionelle Reformen durchzuführen.

Wenn wir uns allerdings die langfristigen Vorteile eines stärkeren und noch souveränen gemeinsamen Europas in Politikbereichen anschauen, bei denen wir national an Grenzen stoßen, so sollten wir ein Interesse haben, auszuarbeiten, wie wir diese Ziele erreichen können, und welche Reformen hierfür in den nächsten Jahren notwendig sind. So entstand die Idee der Währungsunion bereits in den 1970er Jahren und konnte ca. 20 Jahre mit dem Eurosystem dann in die Realität umgesetzt werden(2). Durch eine gemeinsame Fiskalpolitik würde auch die Transmission der gemeinsamen Geldpolitik noch effizienter und effektiver werden können.

Fazit: Die Europawahl kann eine Chance sein, die Debatte um die Zukunft Europas im Bereich von Kapitalmarktunion und Fiskalpolitik voranzutreiben.

Quellen

1 https://www.ecb.europa.eu/press/blog/date/2023/html/ecb.blog230830~cfe3be0960.en.html

2 https://european-union.europa.eu/institutions-law-budget/euro/history-and-purpose_de

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